3.1 Lokalelemente
Metallische Werkstoffe unterliegen sehr häufig einem Zerstörungsprozess
durch chemische Reaktionen, bei denen die Metalle direkt oder indirekt
mit Stoffen in der Luft bzw. im Wasser reagieren. Man bezeichnet diesen
Vorgang als Korrosion. Sie wird durch Bildung von
Galvanischen Elementen
sehr stark gefördert.
Als Modell kann ein Versuch dienen, bei dem eine
Zink-
Halbzelle
gegen eine Kupferelektrode in verdünnter Schwefelsäure geschaltet wird;
es handelt sich um eine abgewandelte Galvanische Zelle. Zwischen den
beiden Elektroden entsteht ein Stromfluss: Die Zinkelektrode besitzt
den höheren Elektronendruck und wird zum Minuspol; an der
Kupferelektrode wird in Ermangelung von Cu²⁺-Ionen Wasserstoff
abgeschieden, d.h. die Halbzelle H₂/H₃O⁺ bildet den Pluspol:
\[
\begin{aligned}
Ox. (Anode \& Minuspol):
\overset{0}{Zn} \rightarrow \overset{+II}{Zn} + 2 e^{-} \\
Red. (Kathode \& Pluspol):
\overset{+I}{2H_{3}O^{+}} + 2e^{-} \rightarrow \overset{0}{H_{2}} + 2 H_{2}O \\
\end{aligned}
\]
Die Elektronen fließen von der Zinkelektrode über das Messinstrument zum Kupfer.
Taucht man Zink in Kupfer (verbunden über ein Messinstrument) direkt in
ein Gefäß mit Schwefelsäure, so entwickelt sich ebenfalls an der
Kupferelektrode Wasserstoff. Dies ist im ersten Moment erstaunlich, da
Zink aufgrund seiner Stellung in der
Spannungsreihe
mit Säuren Wasserstoff entwickeln sollte. (Dies geschähe auch
tatsächlich, allerdings in geringerem Umfang, wenn zwischen dem Zink
und dem Kupfer keine leitende Verbindung bestünde.) Da jedoch die
beiden Metalle über einen Leiter miteinander verbunden sind, fließen
die Elektronen vom Zink zum Kupfer, an dem die Wasserstoffionen (= Protonen)
zu elementarem Wasserstoff
reduziert werden.
Eine solche Anordnung, bei der zwei unterschiedlich edle Metalle in
einem Elektrolyten leitend miteinander verbunden sind, kann man als Modell
für ein sogenanntes Lokalelement auffassen.
Unter Lokalelementen versteht man kleine Galvanische Elemente mit direkter Verbindung beider Metalle.
Korrossionserscheinungen, die unter Beteiligung von Lokalelementen ablaufen, werden
elektrochemische Korrosion genannt.
Die Ursache dafür, dass die Wasserstoffentwicklung nicht an der
Zinkelektrode erfolgt, wenn eine leitende Verbindung zwischen Zink und
Kupfer vorhanden ist, liegt in folgenden Elektrodenvorgängen: Die
gebildeten Zn²⁺-Ionen lagern sich um die negativ geladene
Zinkelektrode und schränken die Annäherung von Oxoniumionen an dieser
Elektrode stark ein. Die Elektronen fließen zum Kupfer ab, an dem die
H₃O⁺-Ionen ungehindert entladen werden können.Fehlt eine leitende Verbindung zwischen
den beiden Metallen, so erfolgt die Reduktion des Wasserstoffs aus den Oxoniumionen
direkt am Zink; jedoch aufgrund der erschwerten Diffusion der H₃O⁺-Ionen
in der Nähe des Zinks in viel geringerem Maße.
Die elektrochemische Korrosion ist in der Technik von sehr großer
Bedeutung. Sie tritt immer dann auf, wenn ein edleres Metall mit einem
unedleren in Berührung kommt und beide von einem Elektrolyten benetzt
sind, und führt zum Auflösen des unedleren Metalls.
Unedle metallische Werkstoffe sind fast immer durch Spuren edlerer
Metalle verunreinigt. Diese Spuren ermöglichen eine elektrochemische
Korrosion in dem Moment, wo eine Berührung mit Wasser erfolgt. Hierbei
ist von Bedeutung, dass das Wasser normalerweise durch gelöstes
Kohlenstoffdioxid und durch Abgase wie Schwefeldioxid und
Stickstoffdioxid sauer ist, das heißt einen Überschuss von Oxoniumionen
enthält.
Das Vorhandensein gelöster Salze im
Elektrolyten,
wie z.B. Meerwasser oder als Folge von Streusalz, wirkt stark
korrosionsfördernd, da hierdurch ein Ladungstransport innerhalb der
Lösung gefördert wird.
3.2 Das Rosten
Eisen ist das wichtigste Gebrauchsmetall. Es unterliegt als unedles Metall der
Korrosion,
so dass laufend ungeheure Mengen Eisen vernichtet werden. Schätzungen
besagen, dass ca. 40% der Stahlproduktion dazu dienen, korrodierte
Bauteile und Produkte zu ersetzen. Jeden Tag verrosten in der
Bundesrepublik ungefähr 1000 t Stahl. Ungeschützte Stahlteile verlieren
0,15 mm/Jahr an Substanz. Das Rosten des Eisens ist ein
Korrosionsvorgang, an dem Wasser und Luftsauerstoff beteiligt sind. Das
Eisen gibt Elektronen ab und geht in Form von Fe²⁺- und Fe³⁺-Ionen in
Lösung.
\[
\begin{aligned}
Ox.: \overset{0}{Fe} \rightarrow \overset{+II}{Fe^{2+}} + 2 e^{-} \\
Ox.: \overset{+II}{Fe} \rightarrow \overset{+III}{Fe^{3+}} + e^{-}
\end{aligned}
\]
Die entsprechende Reduktion erfolgt beim Vorhandensein von Oxoniumionen z.T. durch die Bildung von Wasserstoff:
\[
\begin{aligned}
Red.: \overset{+I}{2H_{3}O^{+}} + 2 e^{-} \rightarrow \overset{0}{H_{2}}\uparrow + 2H_{2}O \\
\end{aligned}
\]
vorwiegend jedoch durch Bildung von OH⁻-Ionen aus Luftsauerstoff:
\[
\begin{aligned}
Red.: \overset{0}{O_{2}} + 4 e^{-} + 2 H_{2}O \rightarrow \underbrace{ \overset{-II}{2OH^{-}} + 2OH^{-} }_{4 OH^{-}}\\
\end{aligned}
\]
Die entstandenen Eisenionen bilden mit OH⁻-Ionen und Wassermolekülen
Oxide und Hydroxide wechselnder Zusammensetzung, so auch das
wasserhaltige Eisen(III)-oxid (Rost):
\[
\begin{aligned}
Fe^{3+} + 3 OH^{-} \rightarrow Fe(OH)_{3} \downarrow \\
2 Fe(OH)_{3} \rightarrow \underbrace{Fe_{2}O_{3} \cdot H_{2}O}_{Rost} + 2 H_{2}O
\end{aligned}
\]
Auch die Rostbildung wird durch die Entstehung von Lokalelementen mit
edleren Metallen, aber auch mit Eisen(II)-hydroxid, stark gefördert, da
die Elektronen von den Korrosionsstellen zu dem edleren Metall bzw.
Eisen(II)-hydroxid abfließen und dort die Reduktion des Luftsauerstoffs
bewirken.
3.3 Korrosionsschutz
Die in der Weltwirtschaft jährlich durch Korrosion vernichteten Mengen
unedler Gebrauchsmetalle werden auf viele Millionen Tonnen geschätzt.
Maßnahmen zum Schutz vor Korrosion sind daher von großer,
wirtschaftlicher Bedeutung, zumal wenn man bedenkt, dass auch
Folgeschäden an den Werkstoffen und Unfallgefahren durch die Korrosion
hervorgerufen werden.
Ein schon lange bekanntes Verfahren des
Korrosionsschutzes ist das Auftragen von Anstrichen aus Bleimennige
(Pb₃O₄) auf Werkstoffe aus Eisen. Überzüge aus Mennige stellen einen
guten Schutz dar. Es finden an der Grenzfläche sehr komplizierte
elektrochemische Reaktionen statt zwischen dem Bleioxid, dem Eisen und
Korrosionsprodukten, bei denen sich unlösliche, gut haftende
Deckschichten bilden.
Wegen der Giftwirkung des Bleis und der damit
verbundenen Umweltbelastung werden zunehmend andere Verfahren zum
Korrosionsschutz von Eisen verwendet. Heute werden die meisten
Eisenbleche, wie z.B. in der Automobilindustrie, durch Phosphatieren
geschützt. Hierzu wird das gereinigte Metall mit sauren,
phosphathaltigen Lösungen behandelt. Auf der Oberfläche entsteht eine
Schutzschicht, die im wesentlichen aus Phosphaten besteht. Sie bildet
allerdings noch keinen absoluten Schutz gegen Korrosion und muss wegen
ihrer Porosität mit organischen Beschichtungsmitteln wie Öl, Wachs oder
Lack überzogen werden.
Ein Korrosionsschutz kann durch kathodische Polarisation erfolgen. (Dieses
Prinzip spielt auch bei den Überzügen aus unedleren Metallen eine
Rolle: Bildung eines Lokalelementes). Unterirdische Rohrleitungen und
Tanks aus Eisen werden häufig dadurch geschützt, dass man das zu
schützende Metall leitend mit einem unedleren Metall (z.B. Magnesium)
verbindet. In der Bodenfeutigkeit wird dann das unedlere Metall
(Opferanode) zerstört, da das Eisen zur Kathode wird und Elektronen vom
Magnesium zum Eisen fließen. Darüber hinaus ist es auch möglich, dass
wertvolle unterirdische Anlagen direkt durch Anlegen einer schwachen
Spannung zur Kathode werden und so vor Korrosion geschützt sind. Die
entsprechende Anode bildet in der Nähe vergrabener Schrott, der sich
mit der Zeit zersetzt.
3.4 Aufgaben
Vorbereitungsaufgaben
Löse zunächst die folgenden gesammelten Übungsaufgaben und vergleiche sie ebenfalls
selbständig mit den unverschlüsselten Lösungen.
Übungsaufgaben
Löse anschließend die folgenden einzelnen Übungsaufgaben und lasse Dir nach erfolgreicher Lösung vom Lehrer
das Passwort zur Entschlüsselung der Lösungshinweise geben.
- Warum ist es ein "Kunstfehler", wenn ein Dachdecker Kupferdachrinnen
mit Eisenteilen oder verzinkten Eisenteilen befestigt? Begründen Sie
mit Hilfe von Reaktionsgleichungen!
Lösung zu Aufgabe 1
- Weißblech und verzinktes Eisen sind so beschädigt, dass in kleinen
Bereichen das Eisen den Umwelteinflüssen ungeschützt ausgesetzt ist.
Begründen Sie mit Hilfe von Reaktionsgleichungen, welche Korrosionsvorgänge
stattfinden!
Lösung zu Aufgabe 2
- Beschreiben Sie mit Hilfe von Reaktionsgleichungen den Vorgang der
Säurekorrosion von Eisen.
Lösung zu Aufgabe 3
- Zwei Eisenrohre einer Wasserleitung werden mit einer Messingmuffe verbunden.
Welche Probleme werden sich daraus ergeben?
Lösung zu Aufgabe 4
- Nennenn Sie Gründe, warum in ariden (trockenen) Gebieten Eisen kaum,
in küstennahen Ballungszentren aber deutlich korrodiert.
Lösung zu Aufgabe 5
- Was versteht man unter "kathodischem Korrosionsschutz"?
Erläutern Sie an einem Beispiel!
Lösung zu Aufgabe 6
- Aluminium-, Kupfer-, Zink-, und Eisenteile werden gleichermaßen Umwelteinflüssen
ausgesetzt. Nur die Eisenteile zeigen merkliche Korrosion.
Begründen Sie u.a. mit Hilfe chemischer Formeln.
Lösung zu Aufgabe 7
- Im Labor kann Wasserstoff durch die Reaktion von Zink mit verdünnter Salzsäure
im "Kippschen Apparat" hergestellt werden. Mächte man die Wasserstoffentwicklung
beschleunigen, versetzt man die Salzsäure mit etwas Kupfer(II)-sulfat.
Erläutern Sie diesen Sachverhalt mit Hilfe von Fachbegriffen und Reaktionsgleichungen.
Lösung zu Aufgabe 8
- Was sind "Opferanoden"? Wo werden sie verwendet, aus welchem Material können
sie bestehen und wie wirken sie?
Lösung zu Aufgabe 9